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Streifzüge durch Schwaben 16: Einfach ein guter Wein, Frau Deufel

Wie es ist, ein Weingut zu übernehmen und eigene Charakter-Weine auszubilden

Projekt: Streifzüge durch Schwaben
Eine junge Winzerin strahlt in die Kamera beim Besuch von HeimatUnternehmen
Teresa Deufel im Schachener Weinberg direkt über dem Bodensee
© Daniel Delang/Initiative HeimatUnternehmen

Auf Streifzug in die Reben
Es war eine lange Nacht für Teresa, die mit der Familie eigentlich zur Abkühlung schon in den See springen will, als wir endlich nach viel Austausch über Unternehmensnachfolge und die Arbeit mit der und nicht gegen die Natur (siehe Streifzüge durchSchwaben 15: Artemisia Kräuterhof) bei ihr ankommen. Bei einem Fest hat sie am Tag davor mit ihrem Weingut einen Stand bewirtet und heute neben Aufräumarbeiten auch die ferienfreien Kinder betreut und Notwendiges auf dem Hof erledigt – die Rush Hour des Lebens halt. Insofern freuen wir uns besonders, dass sie sich Zeit nimmt, dass wir – Fotograf Daniel Delang und ich – bei den Streifzügen durch Schwaben bei ihr einen Stopp einlegen können. Und gerade die Frage der Unternehmensnachfolge ist auch bei Deufels ein wichtiger Aspekt, hat Teresa schließlich 2010 ungeplant nach dem Tod ihres Vaters das Weingut übernommen. Wie wird man dann eine erfolgreiche Winzerin in Deutschlands südlichstem und höchst gelegenen Weinanbaugebiet?

Die Entwicklung von anerkanntem bayerischen Bodensee-Wein
Ihr Vater hatte noch in den 1980ern mit seinem Bruder zusammen vor allem Äpfel angebaut. Nach und nach kamen einzelne Lagen im Lindauer Westen als Weinberge dazu. Damals war der bayerische Bodensee-Wein keine ausgeprägte Größe, „Eskimo-Wein“ hieß es manchmal sogar. Doch die heutige junge Winzer-Generation verfügt über fundierte Fachausbildungen und ein auf hohe Qualität gegründetes Selbstbewusstsein: die heutigen See-Weine sind anerkannt und treffen den Geschmack der aktuellen Wein-Szene. Das raffinierte Spiel mit Säure, die internationale Ausbildung eines Verständnisses für „Cool Climate Weine“, also Weine aus eher kühleren, von wechselhaftem Wetter und milden Herbsten geprägten Anbaugebieten wie es der Bodensee ist, haben dazu beigetragen. Denn einzigartig ist sicherlich, dass Weinlagen wie die von Teresa die schneebedeckten Alpen-Gipfel im Blick haben, während über dem schillernden Bodensee der warme Föhnwind eine mediterrane Stimmung erzeugt und den Reben eine kraftvolle Wärme schenkt. Insgesamt wärmer geworden ist es dazu ohnehin.

Die Sonnenbrille ist also nicht nur das It-Piece-Accessoire der Promenadenbummler, sondern auch berechtigt. Teresas frühe Erinnerungen an den väterlichen Weinbau sind verbunden mit harter Arbeit im Weinberg bei sengenden Temperaturen. Kein Wunder, war Winzerin nicht auf der Liste ihrer Traumberufe, als sie frisch mit dem Abi in der Tasche vor der Entscheidung stand, das Weingut weiterzuführen oder nicht. Doch sie hat sich reingefuchst: Zuerst die Ausbildung zur Winzerin im renommierten Weingut am Würzburger Stein, dann internationale Praktika, und schließlich noch den staatlich geprüften Techniker für Weinbau und Oenologie aufgesattelt. Seit 2009 führt die 1983 geborene Lindauerin das Weingut am Degelstein.

Geradlinig biologisch
Eine ihrer wichtigen Entscheidungen war, auf pilzresistente Sorten zu setzen und sich nach und nach von den empfindlicheren wie Bacchus oder Müller-Thurgau zu verabschieden. Mittlerweile ist sie als biologisches Weingut zertifiziert. Dafür hatte sie in Kauf genommen, dass sie auf Ertrag verzichten muss, denn bis Neupflanzungen tragen, dauert es mehrere Jahre, bis sie dem Boden aus der Tiefe Mineralik entziehen noch einmal eine gute Zeit lang. Teresa sieht es inzwischen schon an ihren eigenen Weinen, wie sich die persönliche Linie ausprägt. „Meine Weine sind geradliniger geworden“, sagt sie. „Doch wichtiger war neben der Sortenumstellung, dass ich mich mehr und mehr getraut habe, auf künstliche Hefen zu verzichten, dass alles spontan vergoren ist.“ Ihren Stil mit Naturweinen baut sie nun neben den klassischen Sorten auf.

Charaktervolle Naturweine erzählen von Standort und Winzerin
Anstelle von Zusatzgaben wie Enzyme, Hefen oder Schwefel setzt die Winzerin bei ihren Naturweinen darauf, dass die natürlichen Inhaltsstoffe und die in der Umgebung vorkommenden Naturhefen den Vergärungsvorgang auslösen. So bekommt der Wein auch einen individuelleren Charakter, der von seiner Herkunft erzählt. Nach der Gärung wird er nicht filtriert oder geklärt und bewahrt seinen ursprünglichen und wilden Charakter.
„Man muss sich schon rantasten und üben“, erzählt sie uns zu den Naturweinen, während wir die Kühle in ihrer Rädlewirtschaft „Degelstein“ genießen. Vor den Wein berankten Hoffenstern liegt die schwere Hitze eines Spätsommertags. „Ich habe da schon auch Lehrgeld bezahlt, dass manche Weine einfach nichts geworden sind. Aber dieses Jahr konnten wir schon fünf Weine trüb abfüllen.“ Superblubber Pet Nat, Rakete oder SoHo für „Solaris aus dem Holzfass“ heißen sie etwa, die wie ihre anderen Weine mehr und mehr gefragt sind.

Höchste Qualität wie Mut und Plan, um auszuprobieren
Große Lust am Ausprobieren hat sie auf jeden Fall und der Erfolg ihrer Weine gibt ihr recht. Jetzt müssen die Änderungen auf dem Weingut auch wirtschaftlich eingefangen werden. Wir sind beim Hofrundgang in einer Werkstatt gelandet, wo sie Etiketten auf die frisch abgefüllten Flaschen aufklebt. Diese sind grafisch gestaltet, man merkt, dass ihr das Design der Flaschen genauso wichtig ist. Eine schöne Fotokulisse ist es hier ebenso, die Sonnenstrahlen fallen seitlich schräg ein und setzen die Szene in ein warmes Licht.

„Aktuell versuche ich, nicht an Fläche größer zu werden, sondern an Qualität. Dazu gehören auch längere Reifezeiten bei den Weinen und spätere Füllungen“, erklärt Teresa. „Dieses Qualitätsdenken habe ich schon lange, aber es ist monetär nicht so einfach, umzusetzen.“ Denn dann ist der Verkauf der Weine schwieriger zu planen, oft fallen hohe Investitionen noch kurz vor die ohnehin sehr kostenintensive Erntezeit. Die Steuerung der Basis-Prozesse ist von daher eine wichtige Grundlage, auf der dann die Kür der Spitzenlagen-Weine erfolgt.

Wie so oft in kleineren, mit der Natur arbeitenden Unternehmen kreuzt diese trotzdem gehörig rein: „Der Cabernet Blanc hat dieses Jahr ein super Jahr, da werden wir eine außergewöhnlich gute Ernte haben. Da muss ich dann schauen, was für ein Produkt, welchen Wein mache ich daraus?“ Auch gehört es für sie dazu, dass sich Weinjahrgänge komplett unterscheiden. „Die Stilistik ändert sich in dem Sinn, dass z.B. der Solaris dieses Jahr total fruchtig ist, sogar eine leichte Restsüße hat, letztes Jahr dagegen absolut trocken war mit einem Gramm Zucker.“

Woher kommen diese Unterschiede? Aus der Natur des Weins selbst: „Wir machen im Keller total wenig. Wichtig ist jetzt die absolute Qualität der Trauben“, beschreibt sie den Vorgang, der auf aufwändiger Arbeit im Weinberg beruht. „Dass wir keine faulen Trauben ernten, dass keine faulen Trauben drin sind. Die letzten werden dann noch einzeln rausgepuhlt auf einem Sortiertisch, damit wir für die Spontangärung nur Top-Ware haben. Die passiert dann im Gärkeller für sich alleine.“
Es ist für sie dann stimmig, eben keine Hefe zuzusetzen, um die natürliche Gärung zu beeinflussen, sondern den Wein in der Zeit, die er sich selbst nimmt, reifen zu lassen.

Was alles auf den Wein einwirkt
„Du schmeckst es so krass heraus, wer einen Wein gemacht hat. Von der Lage her, von der natürlichen Umgebung im Keller, und von jedem einzelnen von uns Winzern. Jeder hat seinen eigenen Ton.“ Teresa nutzt mit einem ihrer Cousins den Weinkeller zusammen und hat, obwohl sie von Sorten, über Presse bis Mikroklima alles gemeinsam haben, klar herausgefunden, dass die Weine so individuell sind, wie ihre Produzenten. „Und das möchte ich mir dann nicht kaputt machen, indem ich eine künstliche Hefe zusetze, die den Wein auf Standardgeschmack bringt.“

Eine wichtige Voraussetzung für diesen souveränen Umgang war auch, dass sie sich mit den Standortgegebenheiten in ihren Weinbergen auseinandergesetzt hat und dies immer weiter tut. „Du kannst nicht das, was Du an einem Ort gelernt hast, einfach an einen anderen Ort übernehmen, das funktioniert nicht.“ Jeder Standort, jeder Boden hat seine eigene Beschaffenheit, sodass die Winzerin individuell mit ihm umgehen muss. Wir sind auf den Weg in einen Weinberg auf dem Südhang unter dem Haus, von wo wir auf den See und in die Schweizer Berge blicken können.

„Der humose Boden hier hat mit dem vielen Regen zu schaffen. Wir müssen zwischen den Reihen anpflanzen und einsäen, um das Wasser wegzubekommen und den Boden karger zu machen.“ Kräuter, Klee, Leguminosen, sogar Gras wird zwischen den Reihen kultiviert, um für die Reben die Bodenverhältnisse zu optimieren. „Dabei ist es mir wichtig, dass wir da nicht pauschal vorgehen, sondern bei jedem Standort, bei jeder Parzelle die Reihenpflanzen passend bestimmen. Das versuche ich so zu steuern, dass die Sorten homogen werden, dass das insgesamt stimmig wird.“ Die Begeisterung für den Wein ist ihr anzumerken. „Auch die kleinen Stellschrauben, die man drehen kann, z.B. beim Reifen Blätter abzunehmen, das macht ja geschmacklich etwas. Das macht einfach saumäßig Spaß, so zu gucken, was kommt letztendlich dabei raus!“ Ein bewundernswertes Können, schon beim Blick auf die voll hängenden weißen Trauben abschätzen zu können, was daraus in einiger Zeit matt-gold ins Weinglas fließt.

Motivation aus der Sache heraus
Was ist es bei Teresa, das sie durch die oft langen, auch körperlich anstrengenden Tage bringt?
„Meine Motivation am Morgen? Das Tagwerk zu schaffen!“ Generell hat sie einfach Freude daran, ein hochwertiges Naturprodukt herzustellen mit dem, was ihr ihr Lebensort gibt. „Ich weiß ja, wofür wir das machen. Ich hab‘ einfach Bock, einen geilen Wein zu machen.“ Ihr Partner ist Apfelbauer, auch ihm geht es darum, mit seinem Bio-Betrieb, beste Produkte herzustellen.

Sicher, zwei landwirtschaftliche Betriebe, Familie, Kinder, Lebensunterhalt und hohe Qualität unter einen Hut zu bringen ist nicht immer einfach. Zu oft fehlt die Zeit, in Ruhe ohne Druck zu arbeiten. Umso schöner, wenn der Arbeitsalltag auch kleine Kraftquellen bereithält. Eine davon ist der unmittelbare Kundenkontakt. Im Rädle Degelstein, ihrem quirlig-familiären Weinausschank direkt am Hof, wo auch manchmal Kulturveranstaltungen stattfinden, und auf Festivitäten erfährt Teresa unmittelbar, wie ihre Produkte, ihrer Hände Arbeit geschätzt werden. „Wenn beim Seefest jemand mit einem Glas Wein von uns am Stand vorbeiläuft und den Daumen hochreckt, das macht Spaß.“
Ein anderer Antrieb ist natürlich der Wein an sich. „Dieses nachhaltige Arbeiten, so ein Produkt von vorne bis hinten zu machen“, sagt sie. „bis ich es schlussendlich final abgefüllt, gelabelt, an den Kunden bringe, das ist toll.“

Gute Weine sprechen sich herum

Wir sind begeistert, von dem vielen Wissen, was wir bei diesem Streifzug-Stopp en passant mitgenommen haben und von der ansteckenden Lust auf Ausprobieren und Sich-was-trauen, die Teresa Deufel ausstrahlt. Zu unserem Streifzug-Finale machen wir uns jetzt auf zur Lindauer Insel, wo der Schützinger am See auch Teresas Wein ausschenkt. Und das mit dem guten Wein im Titel dieses Artikels? Ist nicht von mir. Ein Kollege hat so reagiert, als ich von der Reportage berichtet habe. „Teresa Deufel? Da hole ich mir immer eine Kiste Wein, wenn ich auf den Pfänder wandern gehe. Einfach ein guter Wein!“

Kontakt
Weingut Teresa Deufel
Schachener Straße 213, D-88131 Lindau-Schachen
Telefon: +49 (0) 8382/93 44 0
info@teresadeufel.de; www.teresadeufel.de

Dieser Artikel ist Teil der HeimatUnternehmen-Reportageserie Streifzüge durch Schwaben, die hier insgesamt zu finden sind.
Texte: Veronika Heilmanneder, Fotos: Daniel Delang

Das Weingut von Teresa Deufel kann ganzjährig nach Absprache und vormittags besucht werden. Das Rädle Degelstein hat i.d.R. Sommeröffnungszeiten. Bad Schachen ist von den Lindauer Bahnhöfen an der Uferpromenade entlang auch sehr gut mit dem Rad zu erreichen.
Langstrecken-Radler kommen auf dem Bodensee-Königssee-Radweg auf ihre Kosten. Dieser verbindet unseren vierten und unseren dritten „Streifzug durch Schwaben“ von Lindau über Stiefenhofen durch die wasserreichen Bergwaldgegenden des Argen- oder Konstanzer Ach-Tals zum Großen Alpsee und Rettenberg am Grünten. Nach dem beindruckenden Bodensee-Ufer folgt hügelig, mit großartigen Ausblicken wie tiefen Schluchten, eine Etappe mit ganz eigenem Reiz, der am besten in langsamem Tempo genossen wird.
    
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