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Streifzüge durch Schwaben 17: Mocktail an Bayerns westlichster Sunset-Bar

Mediterranes Flair und eine genussreiche Gemeinschaft auf Zeit - der Schützinger am See hält, was er verspricht

Projekt: Streifzüge durch Schwaben
Die junge Unternehmerin lächelt in die Kamera
Mittelmeer am Bodensee: Anne-Sophie Zapf und ihre Kollegen sorgen dafür, dass sich Gäste am Lindauer Seeufer wohlfühlen
© Daniel Delang/Initiative HeimatUnternehmen

Die bayerische Sunset-Bar am Seeufer, die durchdacht ist bis ins Detail
Es war eine gute Fügung, Schwabens und damit Bayerns äußersten Zipfel, also die westliche Uferpromande am Lindauer Uferweg, als Ziel der Streifzüge durch Schwaben auszuwählen. Die alten Pappeln rauschen, der See glitzert und funkelt, als die Sonne langsam von Westen her einen goldenen Teppich auf dem Wasser ausrollt. Man muss sich fast zwicken, um nicht zu vergessen, dass wir ja auf Reportage sind, so einladend ist es, einfach mal Fünf grade sein zu lassen.

Dass dies so ist, hat natürlich auch mit denen zu tun, die diesen Ort zu einem ganz besonderen Platz machen: Anne-Sophie Zapf, Yassine Douar und Tobias Pflug heißen sie, und sind mir als HeimatUnternehmer schon bekannt. Sie bereichern die Hintere Insel mit ihrem regional verwurzelten Genussangebot „Schützinger am See“ nun die dritte Saison. Der „Schützinger“ ist eine Mischung aus Bar, Lounge, Küche, Biergarten und Eventbühne, garniert mit der fruchtig-süßen Frische des „Saftladens“ und der kleinen integrierten Eisdiele. Er bezieht seine Waren möglichst aus der Region und arbeitet mit lokalen Unternehmen zusammen - von Lindauern für Lindauer war die Ursprungsidee. „Dieser Wert ist bis heute für uns klar und hat hohe Priorität“, bekräftigt Yassine Douar, einer der drei Gesellschafter.

Die Streifzüge durch Schwaben sollen ja unternehmerische Menschen im ländlichen Raum des süd-westlichen bayerischen Regierungsbezirks suchen und vorstellen. Der „Schützinger“ ist trotz seiner bestehenden Einbindung in das HeimatUnternehmen-Netzwerk bei dieser Reportage ein lohnendes Ziel, denn uns interessiert, wie die jungen Betreiber es schaffen, dass der „Laden läuft", und zwar dauerhaft. Ein Start-Up zu verstetigen ist eine Klippe, die man umschiffen muss, eines mit hohen ideellen Ansprüchen, wie sie der Schützinger hat, erst recht.

 

Also, Karten auf den Tisch, was hat sich verändert, seit sie ein eingetragenes Unternehmen sind?
Drei erfolgreiche Saisons haben die drei jungen Unternehmer bereits gemeistert. Sie profitieren stark davon, dass sie alle einen unterschiedlichen Erfahrungshintergrund haben. Anne-Sophie, studierte Architektin mit Schwerpunkt Nachhaltiges Bauen, hat ihre Expertise vor allem in den Bereichen Quartiersentwicklung, Gestaltung und Hospitality. Sie ist die Lindauerin und Gründerin, die mit dem Ansatz „Werte und Werke“ die Verknüpfung von lokalen und regionalen Werten und Produkten vom bayerischen Bodensee mit einem attraktiven Angebot in der Stadt Lindau vorantrieb. Den Bereich Handwerk hat sie aus Kapazitätsgründe wieder etwas zurückgefahren, doch ist ihr Grundansatz, das Gute vor Ort in der Stadt sichtbar zu machen, genauso leidenschaftlich wie anfangs.
Noch heute stecken überraschende, ökologische Exoten, wie Kiwis vom See, und Bodensee-Klassiker wie Äpfel und Birnen in ihren gesunden Säften, wie sie auch mit einem nachgefragten Eventprogramm die Zielgruppe junger Menschen in Lindau aktiviert. „Ich wollte und will, dass das, was hier in und um Lindau Gutes produziert wird, auch in der Stadt sichtbar ist“, fasst es Anne-Sophie zusammen, und hat gleichzeitig mit einem hohen Gestaltungsanspruch für die lokalen Produkte eine ansprechende Bühne geschaffen.

Einen Ideen- und Wissenspartner fand sie bereits in der ersten Saison im Allgäuer Tobias Pflug, der als Brauereianteilseigner, Eventmanager und Gastronom vor allem im Bereich Bewirtung wertvolles Know-How in das Projekt einbrachte. Für die Verstetigung des Projekts und die Etablierung der drei Unternehmer als Geschäftsorganisation, war der Einstieg von Managementprofi Yassine Douar ein weiterer wichtiger Schritt. „Jeder bringt eine eigene Sicht auf Herausforderungen ein“, erläutert Yassine. „Der Perspektivenwechsel hilft oft: Jeder schaut auf Herausforderungen anders drauf, und die andere Sicht hilft, Lösungen zu sehen, die einer allein vielleicht nicht gefunden hätte.“
Durch ihre unterschiedlichen Blickwinkel können sie auch als formal gegründete GmbH in Anspruch nehmen, dass jeder einen unternehmerischen Teilbereich abdeckt. „Wir lassen den anderen relativ viel Freiheit,“ ergänzt Yassine. „Dafür wissen wir auch, wenn sich einer um einen Bereich kümmert, macht er das zu 120%.“

Von Lindauern für Lindauer
Wichtig ist ihnen, nicht nur bei den Produkten ihrem Grundwert „Von Lindauern für Lindauer" treu zu bleiben, sondern sie möchten auch nachhaltige Unternehmensstrukturen aufbauen. So legen sie Wert auf ein festes Team von einheimischen Mitarbeitenden, die ihrer Arbeit verbunden sind. „Mich macht unser Personal besonders stolz, das ist ein echtes Team von Leuten aus Lindau und der Umgebung, und kein Saisontrupp, der dann wieder weiterzieht", sagt Yassine dazu.

Was in einem betrieblichen Bereich ein großer Unternehmenswert ist, ist bei einem mit Kommunikationsarbeit verbunden, bei der Preispolitik nämlich. Viele regio-lokal arbeitende Unternehmen kennen es: wollte man die wahren Preise der heimischen Einkaufsstrategie in echten Preisen darstellen, wären diese für manche Gäste schwierig zu vermitteln. Gerade im Tourismussegment, schildert Yassine, während wir vor der quirligen Ausgabe des schwarzen Schützinger-Seecontainers stehen, fehle manchmal ein bisschen das Verständnis für den Aufwand und die hohe Qualität der Wertschöpfung vor Ort. Für die Einheimischen sei es klarer, dass ein Käse aus der Region auch einen entsprechenden Preis hat. Nicht umsonst, sind sie am Anfang im Allgäu von Sennerei zu Sennerei gefahren, um beste Ware für ihre Gäste am See auszusuchen.

Qualität, die man schmeckt. Das gilt auch für das Erdbeer-Topping auf Anne-Sophies Eis, reife Bodensee-Erdbeeren mit kürzester Anfahrt vom bekannten Betrieb. Das Eis stammt übrigens aus Markdorf, fast in Lindauer Sichtweite. Wer's handfest mag, bekommt dicke Pommes, mit oder ohne Seefisch. Der Grundsatz Klasse statt Masse zeichnet sich ab, doch exklusiv ist es nicht.

Ein lebendiger Treffpunkt und Genussort
Ein schicker, alkoholfreier Mocktail, ein Aperitif mit Bitternote aus Traunstein, steht neben uns: sozusagen der Anker für eine Mini-Auszeit, um für ein paar Minuten die Gedanken schweifen zu lassen. Für unser Streifzüge-Team, Fotograf Daniel Delang und ich, ist der „Schützinger“ auch insofern eine konsequente und dankbare Abschluss-Station, als wir auf unseren Streifzügen zwischen dem Augsburger Land und dem bayerischen Bodensee auf so viel überzeugte Genusshandwerker und einheimische Betriebe kennenlernen dürfen, denen die lokal-regionale Wertschöpfung, die Verwurzelung ihrer Tätigkeit im eigenen Lebensumfeld wie eine wirklich nachhaltiger Unternehmenssinn ein vorrangiges Anliegen ist. Wer wollte da beim Sundowner von seinen Prinzipien abrücken?

Auch das junge Publikum, das sich inzwischen an der Promenade sammelt, teils von Kindern umwuselt, teils mit Freunden im Gespräch, oder einfach nur das Cap im Nacken, Blick auf den See, ein Bier in der Hand, macht den Eindruck, als sei es dankbar für diesen Ort, der den Sommer in Lindau und am Schwäbischen Meer so qualitativ bereichert. Ältere und jüngere Pärchen, wie unsere Gesprächspartner von der Insel, haben eine gute Zeit.

Gute Aussichten und ein kleiner Abschied
Dem „Schützinger“ stehen noch viele goldene Sommertage und -abende bevor. Für uns bedeutet Lindau das Ende der Streifzüge durch Schwaben. Und wir können zufrieden sagen: wir haben es geschafft, wir haben sie gefunden! Der Weg war gesäumt mit Unternehmen, die Purpose-orientiert arbeiten und deren Menschen einen Unterschied machen. Die Mut machen, Zuversicht ausstrahlen, die anpacken, mitmachen, weitergeben, motivieren und offen sind. Offen für eine Gesellschaft, die sinnhaftes Unternehmertum schätzt. Weil es die Region stärkt und die Menschen befähigt, an ihren individuellen Orten, gemeinsam mit anderen, sich etwas zuzutrauen und zu verändern.

Mit großem Lächeln und etwas Wehmut verabschieden Daniel und ich uns von Anne-Sophie und Yassine, die uns am Ende unsere Road-Trips in den Westen großartige Gastfreundschaft gewährt haben. Viele Begegnungen und Diskussionen werden weiterwirken, alle haben uns auf ihre Weise ideell Beflügelndes auf den Weg gegeben. Klar ist uns, Schwaben, von Hollenbach bis zur Hinteren Insel, ist voller guter Ideen und heimatverbundenen Schatzgräbern, die ihre Ideenschätze heben. Das Netzwerk von HeimatUnternehmen unterstützt sie dabei.

Also bis bald, beim Schützinger oder anderswo in Bayerns wertvollen Peripherien!

Kontakt
Schützinger am See
Schützingerweg 3, 88131 Lindau
Tel. +49 (0) 151 53 51 58 10
Planer und Veranstalter: Projektdrei GmbH
schuetzinger@projekt-drei.com, www.schuetzinger-am-see.com

Dieser Artikel ist Teil der HeimatUnternehmen-Reportageserie Streifzüge durch Schwaben, die hier insgesamt zu finden ist.
Texte: Veronika Heilmanneder, Fotos: Daniel Delang

Der „Schützinger am See“ hat je nach Witterung von Frühjahr bis in den Herbst geöffnet. Er liegt an der Uferpromenade der Hinteren Insel und ist am besten zu Fuß mit einem Spaziergang zu erreichen. Die Lindauer Insel ist ebenfalls gut zu Fuß oder mit dem Fahrrad angeschlossen. Beim „Schützinger“ befindet sich eine öffentliche Seebadestelle.
Die beiden Lindauer Bahnhöfe Insel und Reutin sind vom Schützinger aus in wenigen Minuten zu erreichen. Langstrecken-Radler kommen auf dem Bodensee-Königssee-Radweg auf ihre Kosten. Dieser verbindet unseren vierten und unseren dritten „Streifzug durch Schwaben“ von Lindau über Stiefenhofen durch die wasserreichen Bergwaldgegenden des Argen- oder Konstanzer Ach-Tals zum Großen Alpsee und Rettenberg am Grünten. Nach dem beindruckenden Bodensee-Ufer folgt hügelig, mit großartigen Ausblicken wie tiefen Schluchten, eine Etappe mit ganz eigenem Reiz, der am besten in langsamem Tempo genossen wird.

    
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